Berlinale, Zoo Palast und Wiederaufbau

 — 
 Stadtentwicklung

Der Zoo Palast als West-Berliner Bauwerk des Wiederaufbaus zwischen Abkehr vom NS und Abgrenzung zu Ost-Berlin

Das Filmtheater Zoo Palast in Berlin, erbaut 1956/57 (Illustration  ©S. Gauß 2017)

West-Berlin als eine international ausgerichtete, freiheitlich-demokratische Metropole – dieses politische, gesellschaftliche und kulturelle Leitbild markierte in der Nachkriegszeit sowohl die programmatische Abgrenzung gegenüber Ost-Berlin wie auch Richtung und Kriterium des Neuaufbaus der zerstörten Stadt.

Zeitgleich mit der Errichtung des Gebäudeensembles “Zentrum am Zoo” erfolgte die Bebauung des Hansaviertels im Zuge der Interbau, der internationalen Bauausstellung von 1957, unter Teilnahme vieler namhafter Architekten aus verschiednen Ländern.

Die Formensprache des Zoo Palast reiht sich in diesem städtebaulichen Kontext als eine Repräsentation der kulturellen Moderne ein und stand damit in einem Spannungsfeld zwischen einer ebenso demonstrativen Abkehr vom NS wie einer Abgrenzung zu den neoklassizistischen Leitbildern in Ost-Berlin.

Das zentrale Wettbewerbskino der internationalen Filmfestspiele Berlinale war von 1957 bis 1999 das Kino Zoo Palast. Sein erster Betreiber, Max Knapp, blieb bis 1990 in dieser Funktion.1
Der Zoo Palast entstand 1956/57 als Teil eines Gebäudeensembles, dem “Zentrum am Zoo”, zu dem noch das Bikinihaus und ein Hochhaus am Hardenbergplatz gegenüber dem Bahnhof Zoo gehören.

Die bauliche Besonderheit des Zoo Palastes bestand in der innovativen Integration von zwei Vorführsälen in einem Gebäude. Die beiden Säle, das Hauptkino “Zoo-Palast” mit 1070 Plätzen und das “Atelier” mit 550 Plätzen, waren wie zwei gegeneinander geschobene Keile platziert.2

Mit dem Standort knüpften die Bauherren an eine längere Kontinuität an. Auf dem Grundstück stand zuvor das “Palasttheater am Zoo”, das ab 1915 Filme zeigte. Das Palasttheater wurde 1925 von der Ufa übernommen und umgebaut. Neben vielen anderen Uraufführungen wurde hier 1927 das erste Mal der Film “Metropolis” von Fritz Lang gezeigt. In der Zeit des NS sollte das Palasttheater nach Plänen von Albert Speer umgebaut werden, wozu es allerdings nicht kam.

Für das “Zentrum am Zoo” lieferten drei Architekten die Pläne: Paul Schwebes, Hans Schoszberger für das Bikinihaus und das Hochhaus und Gerhard Fritsche für den Zoo Palast.
Paul Schwebes (1902–1978)3 studierte ab 1922 an der Technischen Hochschule Charlottenburg (heute Technische Universität Berlin) und schloss 1927 mit einem Diplom als Ingenieur ab. Nach Mitarbeit im Büro von Bruno Paul machte sich Schwebes 1933 mit einem eigenen Architekturbüro selbständig. In den 1940er Jahren kooperierte er mit Rudolf Ulbrich. In der Nachkriegszeit bildete er von 1956 bis 1968 zusammen mit Hans Schoszberger eine Bürogemeinschaft. In den 1950er und 60er Jahren waren Schwebes und Schoszberger in der “Wiederaufbauphase” Berlins ausserodentlich erfolgreich.4

Hans Schoszberger (1907–1997) studierte an der Technischen Hochschule Wien und an der Deutschen Technischen Hochschule Brünn. In Berlin schloss er sein Studium 1932 an der Technischen Hochschule ab und wurde zwei Jahre später mit einer Dissertation über den baulichen Luftschutz promoviert.5

Der jüngste im Bunde, Gerhard Fritsche (1916–1965), studierte von 1936 bis 1938 Architektur und arbeitete in den folgenden beiden Jahren im Architekturbüro von Rudolf Kühn.6 In den ersten Jahren der Nachkriegszeit nach 1946 beiteiligte sich Fritsche an Bauprojekten seines Vaters Max Fritsche und gründete sein eigenes Architekturbüro in Berlin. (Zum Jahr der Gründung gibt es verschiedene Angaben.)7 In der Folgezeit profilierte sich Fritsche insbesondere mit mehreren Kinobauten.

Einer weiteren Untersuchung vorbehalten bleibt die Frage, wie sich die drei Architekten Schwebes, Schoszberger und Fritsche in diesem Spannungsfeld verorten lassen. Alle drei haben während des NS in Deutschland gearbeitet und kamen mit ihren Aufgaben für den Wiederaufbau in die Position eine Architektur zu entwerfen und zu vertreten, die sich am Bauhaus und am Neuen Bauen orientierte.


  1. Ihm folgte Hans-Joachim Flebbe, der Gründer von Cinemaxx. Von 1994 bis 2011 gehörte das Kino zur UCI bis Flebbe wieder übernahm.   ↩︎

  2. Zum Zoo-Palast und den Architekten gibt es einen Film von Britta Wauer aus dem Jahr 2013: Zum Film auf Vimeo (9.2.2017). In diesem Film wird eine Aufrisszeichnung gezeigt, die das Prinzip veranschaulicht. Leider ist der Film nur hinsichtlich der gezeigten historischen Aufnahmen interessant, da die Autorin ihren Gegenstand in der Semantik einer geglätteten, eindimensionalen Erfolgs- und Heldengeschichte darstellt und das Klischee einer oberflächlichen Heile-Welt-Erzählung bedient.   ↩︎

  3. Zur Kurzbiografie auf www.luise-berlin.de (8.2.2017)   ↩︎

  4. Eine Liste der in dieser Zeit realisierten Bauwerke findet sich auf Wikipedia: Paul Schwebes (9.2.2017) ↩︎

  5. Wikipedia: Hans Schoszberger (9.2.2017)   ↩︎

  6. Eine Kurzbiografie von Rudolf Kühn ist auf Wikipedia: Rudolf Kühn (9.2.2017) zu finden. Kühn war seit 1933 in der NSDAP. Nach Urteil des Kunsthistorikers Jens Lipsdorf ist Kühn als konservativ-nationalistischer Technokrat einzuordnen. In der Nachkriegszeit war Kühn Mitarbeiter von Hans Scharoun.   ↩︎

  7. Im Film von Bettina Wauer (vgl. Fußnote [2] wird 1948 als Gründungsjahr angegeben, auf Wikipedia 1950. Wikipedia: Gerhard Fritsche (8.2.2017)   ↩︎

  Related Pages

Drei Neubauten im Samariterviertel in Berlin-Friedrichshain. Ein Vergleich zur Stadtgestaltung.